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Insekten als Lebensmittel

Insekten als Lebensmittel
Speiseinsekten | Illustration: sh / traditura

Die Larve des Mehlkäfers machte in den westlich geprägten Industrieländern den Anfang. Sogenannte Speiseinsekten bzw. insektenhaltige Lebensmittel sind seit einigen Jahren auch hierzulande für den menschlichen Konsum zugelassen.

Mit der Novel-Food-Verordnung (EU) 2015/2283 wurden im jahr 2015 die rechtlichen Voraussetzungen hierfür in der Europäischen Union geschaffen. Doch es vergingen noch mehr als 5 Jahre, bis der Mehlwurm gemäß dieser Verordnung in die sogenannte "Unionsliste zugelassener neuartiger Lebensmittel" eingetragen wurde.1)

Vorreiter für die Produktion und Vermarktung von Speiseinsekten sind Belgien, die Niederlande und die Schweiz. Hier gibt es bereits seit Mitte 2017 insektenhaltige Nahrungsmittel im Supermarkt zu kaufen, da die "Besonderen Bestimmungen für traditionelle Lebensmittel aus Drittländern" dies in Abschnitt II der Novel-Food-Verordnung ermöglicht. Voraussetzung hierfür ist jedoch der Nachweis, dass diese Lebensmittel bereits "in mindestens einem Drittland mindestens 25 Jahre lang als Bestandteil der üblichen Ernährung einer bedeutenden Anzahl von Personen verwendet" werden.1)

 

Kurios!

In vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ist der Verzehr von Insekten schon seit Ewigkeiten völlig normal. Sie werden dort lebendig verkauft oder direkt an Straßenständen zubereitet und gegessen. Die Europäer gewöhnen sich dagegen nur sehr langsam an diese hochwertigen Proteinquellen als Lebensmittel. Schaut euch die Tierchen auf dem Titelbild doch noch mal vergrößert an!

  

Erst im Juni 2021, nachdem die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die gelben Mehlwürmer sowohl als ganzes, getrocknetes Insekt als auch in Pulverform für den menschlichen Verzehr in ihrer Risikobewertung als unbedenklich einschätzte, gab die EU-Kommission die Larve des Mehlkäfers schließlich auch offiziell als neuartiges Lebensmittel gemäß der Novel-Food-Verordnung in der EU frei.2)

Anthropo-Entomophagie – so nennt man fachsprachlich den menschlichen Verzehr von Insekten. Laut Wissenschaftlern der Universität Wageningen werden weltweit über 2.100 verschiedene Arten (wie z. B. Ameisen, Termiten, Raupen, Bienen- und Wespenlarven sowie Käfer) verzehrt.3) In der Europäischen Union sind Stand Mai 2025 dagegen nur vier Insektenarten zugelassen, von denen selbst die Art der Inverkehrbringung (also ob sie getrocknet, gefroren, etc. in den Handel kommen bzw. in welchen Lebensmitteln sie weiterverarbeitet werden dürfen) streng geregelt ist4). Diese sind:

  • Mehlkäfer (Tenebrio molitor) - seit Juni 2021 im Larvenstadium (gelber Mehlwurm) in getrockneter Form und seit Februar 2025 auch als UV-behandeltes Pulver ganzer Larven zugelassen.4)
  • Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) - seit November 2021 gefroren, getrocknet oder in Pulverform zugelassen.4)
  • Hausgrille (Heimchen) (Acheta domesticus) - seit März 2022 gefroren, getrocknet oder in Pulverform bzw. seit Januar 2023 auch als teilweise entfettetes Pulver zugelassen.4)
  • Glänzendschwarzer Getreideschimmelkäfer (Alphitobius diaperinus) - seit Januar 2023 im Larvenstadium (Buffalowurm) gefroren, getrocknet, als Paste oder in Pulverform zugelassen.4)

Das Inverkehrbringen von Insekten als neuartige Lebensmittel innerhalb der EU ist dabei für eine Dauer von 5 Jahren nur dem antragstellenden Unternehmen erlaubt.

Hierzu ein aktuelles Beispiel:

Einem französischen Unternehmen wurde für einen Zeitraum von 5 Jahren exklusiv die Berechtigung erteilt, ab Februar 2025 UV-behandeltes Pulver aus ganzen Larven des Mehlwurms in der EU in Verkehr zu bringen. Der Einsatz dieses Pulvers wurde für Brot und Brötchen, Kuchen, Teigwaren, verarbeitete Kartoffelprodukte, Käse sowie Käseprodukte und Obst- und Gemüsekompotte genehmigt.2) 5)

Durch die UV-Behandlung weist das Pulver einen höheren Vitamin-D3-Gehalt auf als ursprünglich, was in der Nährwertdeklaration ausgewiesen werden muss.1) 5) Die Kennzeichnungspflichten schreiben zudem eine Allergeninformation vor, da der Verzehr von Insekten insbesondere bei Krebs- und Weichtierallergikern eine Kreuzreaktion auslösen kann.1) 2)

 

Übrigens:

Das Wort Insekt stammt von dem lateinischen Wort insectum und bedeutet "das Eingeschnittene", was sich auf die deutlich sichtbare Unterteilung des adulten Körpers bezieht.

 

Insekten tragen weltweit zur Ernährung von ca. 2 Milliarden Menschen bei, was aktuell einem Anteil von rund einem Viertel der Weltbevölkerung entspricht.10) Kommen wir daher nun auf die Vorteile von Insekten als Lebensmittel zu sprechen. Es muss ja eine Bewandnis haben, dass der Verzehr von ganzen Insekten oder insektenhaltigen Produkten in weiten Teilen der Erde als völlig normal gilt.

Warum also sind Insekten als Lebensmittel so interessant und in aller Munde?!

  • Weil sie nährstoffreich sind:
    • Hoher Eiweißgehalt, der dem von Rind- oder Schweinefleisch ähnelt. Mehlwürmer enthalten ca. 45% Eiweiß, Heimchen ca. 69% Eiweiß.7)
    • Hoher Anteil an ungesättigten Fettsäuren, insbesondere an Omega-3-Fettsäuren.6) Die Zusammensetzung der ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren in Mehlwürmern ist sogar vergleichbar mit der von Fisch.10)
    • Mikronährstoffe je nach Insektenart, Alter und Futter wie Kupfer, Eisen, Magnesium, Mangan, Phosphor, Selen und Zink.7)
    • Vitaminreich, besonders B- und D-Vitamine wie Riboflavin (Vitamin B2), Pantothensäure (Vitamin B5), Biotin (Vitamin B7) und Folsäure (Vitamin B9) sowie Vitamin D2 und D3.7)
  • Ökologisch und sozial nachhaltig - wirtschaftlich bislang nur bedingt:
    • Im Vergleich zur Fleischproduktion wird bei der Insektenproduktion weniger Platz und Wasser benötigt. Zudem verursachen sie weniger Treibhausgas-Emissionen und ihr essbarer Anteil liegt mit ca. 80% wesentlich über dem von Rindern (ca. 40%) bzw. ist vergleichbar mit dem von Schweinen (ca. 75-80%).8)Erläuterung wechselwarm
    • Insekten sind wechselwarme Tiere11) und haben daher eine höhere Umwandlungsrate von Futtermitteln in Körpergewicht als Rinder und Schweine. Um 1 kg verwertbare Biomasse aufzubauen, benötigen Insekten ca. 2 kg Futter, Schweine etwa 5 kg und Rinder etwa 8 kg Futter,9) was entsprechend weitere Vorteile durch die weniger zu produzierenden Futtermittelmengen nach sich zieht.
    • Die Insektenaufzucht ist aufgrund ihres kurzen Entwicklungszyklus, dem schnellen Populationswachtum, der guten Futterverwertung und der hohen Gewichtszunahme pro Tag sehr effizient.2) Außerdem ist lediglich ein minimaler technischer oder finanzieller Aufwand für die grundlegende Ausstattung für Ernte und Zucht im nicht industriellen Maßstab erforderlich.10) 
    • Insekten können direkt und einfach in der Wildnis gesammelt, kultiviert, verarbeitet und verkauft werden. Das ermöglicht es jedem Menschen, diese Nahrungsquelle für sich zu erschließen, seine Ernährung zu verbessern und ggfls. überschüssige Produkte zu verkaufen und so zusätzliches Einkommen zu generieren. Hierbei muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Entnahme nachhaltig erfolgt und nicht zur Ausrottung der Insektenpopulationen in ihrer natürlichen Umwelt führt.10)   

Aufgrund der vielen positiven Eigenschaften könnte der Mensch sich diese reichhaltige Quelle an gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln also durchaus weiter zunutze machen und den durch das Bevölkerungswachstum stetig steigenden Bedarf an tierischen Proteinquellen zunehmend durch Speiseinsekten decken. 

Doch für eine großindustriell wirtschaftliche Insektenaufzucht bedarf es noch intensiver Forschung und Entwicklung...

Ein großes Problem bei der Produktion von Insekten im Großmaßstab ist nämlich auch heute noch der hohe Anteil an manueller Handhabung und die ineffizienten Aufzuchtmethoden, weshalb die Speiseinsekten nicht konkurrenzfähig auf dem europäischen Markt angeboten werden können. Laut dem Fraunhofer Institut lagen die Erzeugerpreise im Jahr 2023 bei ca. 2 Euro pro Kilogramm Schweinefleisch und bei etwa 45 Euro pro Kilogramm getrocknetem Mehlwurm! Erst wenn der Grad an Automatisierung erheblich gesteigert und so eine enorme Senkung der Produktionskosten erreicht werden kann, sind Insektenproteine auch hierzulande preislich wettbewerbsfähig.12)

Auch im Hinblick auf das Tierwohl ist die industrielle Insektenzucht noch längst nicht abschließend erforscht bzw. rechtlich reguliert. Der Deutsche Tierschutzbund e.V. schließt eine artgerechte Haltung von Mehlwürmern, Grillen & Co. als Nutztiere sogar als unmöglich aus, da sich Verletzungen beim Umlagern und Aussieben bei der schieren Anzahl der Insekten nicht vermeiden lassen.13)

Doch selbst, wenn konkrete Lösungen für die wirtschaftlichen und tierschutzrechtlichen Probleme erarbeitet werden könnnen, dürfte es schwierig werden, insektenhaltige Nahrungsmittel auf dem europäischen Markt zu etablieren. Denn trotz aller Vorteile der Entomophagie ist der Ekel der Konsumenten eine der größten Barrieren zur flächendeckenden Einführung insektenbasierter Lebensmittel. Hier hat die Lebensmittelindustrie zusätzlich die herausfordernde Aufgabe, die Akzeptanz und das Ansehen von Insekten als Lebensmittel zu steigern. Aber auch Restaurants oder einzelne Köche können dazu beitragen, dass insektenhaltige Produkte mit Hilfe neuer Rezepte oder Menüs ihr exotisches Nischendasein bei uns überwinden.11) Mit dem Verzehr von rohem Fisch ist es ja schon einmal gelungen - in Form von Sushi! 

sh

In unserem nächsten Beitrag geht es um Honig, Milch und Eier.

 

 

 


Quellenangaben:

1) Amtsblatt der Europäischen Union, 2015: VERORDNUNG (EU) 2015/2283 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25. November 2015, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32015R2283

2) Vgl. Eurofins Deutschland, 2025: Novel Food: Insekten - Nahrung der Zukunft?!, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://www.eurofins.de/lebensmittel/food-news/food-testing-news/novel-food_insekten-als-nahrung-der-zukunft/

3) Vgl. Wikipedia, 2025: Speiseinsekt, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://de.wikipedia.org/wiki/Speiseinsekt

4) Vgl. Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat, BMLEH, 2025: Fragen und Antworten zu Insekten in Lebensmitteln, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://www.bmel.de/SharedDocs/FAQs/DE/faq-insekten-lebensmittel/FAQList.html

5) Vgl. Nutriearth, 2025: Human nutrition - Food Ingredients, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://www.nutriearth.fr/en/human-nutrition/food-ingredients/

6) Vgl. Verbraucherzentrale Hamburg, 2018: Nährwerte von Insekten, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://www.vzhh.de/sites/default/files/medien/136/dokumente/2018-04_vzhh_Verbraucherzentrale_Naehrwerte-von-Insekten.pdf

7) Vgl. Insektenwirtschaft, 2025: Nährwerte von Insekten, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://insektenwirtschaft.de/speiseinsekten/naehrwerte/

8) Vgl. Verbraucherzentrale.de, 2025: Insekten essen: Eine Alternative zu herkömmlichem Fleisch?, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/auswaehlen-zubereiten-aufbewahren/insekten-essen-eine-alternative-zu-herkoemmlichem-fleisch-33101 

9) Vgl. Zeit Online, 2018: Fleischatlas 2018. Fünf Gründe, warum wir Insekten statt Geflügel und Rind essen sollten, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://www.zeit.de/zett/2018-01/fuenf-gruende-warum-wir-insekten-statt-gefluegel-und-rind-essen-sollten

10) Vgl. FAO, 2013: Der Beitrag von Insekten zu Nahrungssicherung, Lebensunterhalt und Umwelt, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://www.fao.org/4/i3264g/i3264g.pdf

11) FAO, 2013: FAO Forestry Paper, Edible insects: Future prospects for food and feed security, van Huis, A. et al., Rom 2013, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://openknowledge.fao.org/server/api/core/bitstreams/c7851ad8-1b4b-4917-b1a1-104f07ab830d/content

12) Vgl. Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, 2023: Forschungsprojekt Entomo-Value; hier: youTube-Video Automatisierte Aufzucht von Insekten für die Lebensmittelindustrie, dem Internet entnommen am 01.06.2025, https://www.ivv.fraunhofer.de/de/lebensmittel/entwicklung/entomo.html und https://www.14dd5266c70789bdc806364df4586335-gdprlock/watch?v=pPV9fMuONv0

13) Tierschutzbund, 2022: Insektennahrung: Das sind die Tierschutzprobleme, dem Internet entnommen am 02.06.2025, https://www.tierschutzbund.de/ueber-uns/aktuelles/presse/meldung/insektennahrung-das-sind-die-tierschutzprobleme/