Fleisch ist KEIN Gemüse, sondern besteht grundsätzlich aus geschlachteten oder erlegten warmblütigen Tieren.1)
Während bis etwa zur Jungsteinzeit, die als Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu Hirten- und Bauernkulturen definiert wird, der Fleischkonsum der Menschen traditionell durch die Jagd wildlebender Tiere gedeckt wurde, basiert die tierische Lebensmittelproduktion heute auf den drei Säulen Tierzucht, Tierernährung und Tierhaltung.2a) Die Entwicklung bis hin zur industriellen Massenproduktion wurde jedoch erst möglich durch die Domestizierung landwirtschaftlicher Nutztiere wie Schafe, Ziegen, Schweine und Rinder, deren Anfänge vor ca. 9.000 Jahren im vorderen Orient (heute: Libanon, Jordanien, Syrien, Osttürkei, Iran, Irak) vermutet werden.2b) Zunächst haben die Menschen dort Ziegen und Schafe gehalten, da diese zusätzlich Milch und Wolle lieferten. Erst etwa 1.000 Jahre später wurde das Schwein, noch später auch das Rind domestiziert.3)
Unfassbar!
Das Huhn wurde sogar erst vor ungefähr 4.500 Jahren in Ostasien (Raum Indien/ China/ Indonesien) von den Menschen gezähmt.2b)
Ungeachtet der breiten und gegensätzlichen Diskussionen in den Industrieländern leistet Fleisch in vielen Regionen der Erde einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Menschen. Neben hochwertigen Proteinen mit essentiellen Aminosäuren und einer hohen biologischen Wertigkeit* enthalten tierische Lebensmittel z. B. wichtige Mineralstoffe wie Eisen und Zink sowie viele Vitamine. Das Vitamin B12 (Cobalamin) kommt in relevanten Mengen sogar ausschließlich in tierischen Produkten (wie Fleisch, Fisch, Eiern, Milch & Milchprodukten und Meeresfrüchten) vor und kann vom Menschen selbst nicht synthetisiert werden. Das bedeutet, dass wir dieses Vitamin mit unserer Nahrung aufnehmen müssen, da unser Körper es für verschiedene Stoffwechselvorgänge wie z. B. die Blutbildung, Zellteilung, Reifung und Regeneration von Nervenzellen, etc. benötigt.
Im Jahr 2022 wurden weltweit insgesamt ca. 364,7 Millionen Tonnen Fleisch (Schlachtgewicht) zu Lebensmitteln verarbeitet. Mengenmäßig hatte Geflügelfleisch mit ca. 142,7 Millionen Tonnen und somit etwa 39% den größten Anteil an der Gesamterzeugung, gefolgt von Schweinefleisch mit ca. 114,5 Millionen Tonnen (31,4%) und Rindfleisch mit 59,3 Millionen Tonnen (16,3%).4)
Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verzehr lag im Jahr 2020 weltweit bei 16,4 kg Geflügel (Huhn, Ente, Gans, Perlhuhn, Pute), 14,6 kg Schwein, 9,1 kg Rind und 2,7 kg Schaf, Ziege & anderen Tierarten. Insgesamt betrug der durchschnittlich Pro-Kopf-Konsum demnach ca. 42,8 kg Fleisch und Geflügel, wobei sich die Mengen zum Teil deutlich - auch aufgrund religiöser, ethischer und ökonomischer Prämissen - zwischen den Ländern unterscheiden. So lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von Schweinefleisch z. B. bei nur 0,2 kg in Indien und bei 44,0 kg in Deutschland. Und während in Indien sogar insgesamt nur 4,5 kg Fleisch pro Kopf im Jahr 2020 verzehrt wurden, konsumierten die Menschen in den Vereinigten Staaten durchschnittlich satte 128,6 kg Fleisch pro Person.5) Dieser enorme Fleischbedarf kann dort nur durch intensive Viehzucht und eine industrielle Produktion von tierischen Lebensmitteln gedeckt werden.
Weltweit gibt es aber auch noch viele Menschen, die von traditionell überlieferten Formen sesshafter oder halbsesshafter Tierproduktion - häufig in Kombination mit traditioneller Pflanzenproduktion - leben. Am häufigsten ist dieser sogenannte Agropastoralismus heute in tropischen Offenlandschaften anzutreffen, wo die Jahresniederschläge eine weitgehend stationäre Beweidung ermöglichen. Agropastoralismus bezeichnet subsistenzorientierte, traditionelle Wirtschaftsformen, bei denen der Feldbau (agro von lat. ager = Acker) mit Viehhaltung auf Naturweiden (Pastoralismus von lat. pastor = Hirte, Hüter) kombiniert wird.6)
Auch in ariden Gebieten Afrikas (z. B. Kenia, Tansania, Uganda) ist der Agropastoralismus heute weit verbreitet. Damit dies jedoch in den trockenen Savannenlandschaften Afrikas überhaupt möglich ist, findet der Feldbau wegen der notwendigen Bewässerung entweder in einer Oase statt, oder man arbeitet beispielsweise mit Qanat-Systemen. Ein Qanat ist eine traditionelle Form der Frischwasserförderung, um Trink- und Nutzwasser in Wüstengebieten aus höhergelegenen Grundwasser-Reservoires anzuzapfen. Agropastoralisten verweilen mit ihrer Viehherde also - im Gegensatz zu reinen Pastoralisten oder Hirtennomaden, die keinen dauerhaften Bodenbau betreiben - länger an einem Ort, um ihr Feld zu bewirtschaften.6)7)
Merkwürdig:
Auf der Erde gibt es über 5.000 Säugetier- und über 10.000 Vogelarten, doch nur etwa 20 Säugetier- und 10 Vogelarten werden in relevantem Umfang wirtschaftlich genutzt.2b)
Bei Hirtennomaden sind saisonale Schwankungen und das geringe Futterangebot aufgrund extremer klimatischer Bedingungen die wesentlichen Ursachen für die ganzjährig mobile Lebensweise.8) Dabei begleiten sie als Eigentümer der Herden, die meist aus mehreren Tierarten bestehen, das Vieh im geschlossenen Familienband mitsamt dem Hausrat auf ihren Wanderungen zu frischen Weiden. Die Tiere - je nach Lebensraum meist Kameltiere, Rentiere, Schafe oder Ziegen - dienen den Hirtennomaden jedoch fast ausschließlich als Nahrungs- und Kleidungslieferanten (Milch, Wolle) und fast nie als direkte Fleischlieferanten.9)
Agropastoralismus und Nomadismus - diese Wirtschaftsformen stehen in all ihren verschiedenen Ausprägungen für eine noch gelebte und nachhaltige Anpassungsleistung des Menschen an ökologisch nutzbare Grenzräume.
Und diese Menschen möchten wir gerne kennenlernen und im besten Fall von ihnen lernen, wie sie mit dem seit Generationen traditionell überlieferten Wissen in klimatisch herausfordernden Gebieten ihren Lebensunterhalt sicherstellen.
sh
In unserem nächsten Beitrag geht es um Fisch & Meeresfrüchte.
* Die biologische Wertigkeit der Proteine eines Lebensmittels (= Maßzahl) gibt an, mit welcher Effizienz diese für die Bildung von körpereigenem Protein genutzt werden können.
Quellenangaben:
1) Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2022: Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse, zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 22.02.2024, dem Internet entnommen am 26.09.2024, https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/Lebensmittel-Kennzeichnung/LeitsaetzeFleisch.pdf?__blob=publicationFile&v=16
2) Willam, A., Simianer, H., 2017: Tierzucht, 2. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, a) Seite 29, b) Seite 22 f., Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart, ISBN: 978-3-8252-4805-5
3) Rimbach, G., Nagursky, J., Erbersdobler H. F., 2015: Lebensmittel-Warenkunde für Einsteiger, 2. Auflage, Seite 66, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg, ISBN: 978-3-662-46280-5
4) Vgl. Statista.com, 2024: Verschiedene Statistiken, dem Internet entnommen am 25.09.2024, Daten zu Fleischproduktion: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28782/umfrage/die-globale-fleischerzeugung-seit-1990/, Geflügelfleisch: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28877/umfrage/erzeugung-von-gefluegelfleisch-weltweit-seit-1990/, Schweinefleisch: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/261938/umfrage/weltweite-nettoerzeugung-von-schweinefleisch/, Rindfleisch: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/317712/umfrage/produktion-von-rindfleisch-weltweit/
5) Vgl. Statistisches Bundesamt, 2023: Globale Tierhaltung, Fleischproduktion und Fleischkonsum, dem Internet entnommen am 25.09.2024, https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/landwirtschaft-fischerei/tierhaltung-fleischkonsum/_inhalt.html#:~:text=Lag%20der%20durchschnittliche%20weltweite%20Jahreskonsum,2020%20rund%2042%2C8%20Kilogramm.
6) Vgl. Wikipedia, 2024: Agropastoralismus, dem Internet entnommen am 26.09.2024, https://de.wikipedia.org/wiki/Agropastoralismus
7) Vgl. Wikipedia, 2024: Qanat, dem Internet entnommen am 26.09.2024, https://de.wikipedia.org/wiki/Qanat
8) Vgl. Wikipedia, 2024: Nomadismus, dem Internet entnommen am 26.09.2024, https://de.wikipedia.org/wiki/Nomadismus
9) Vgl. Wiemann, N., 2012: Infoblatt Nomadismus, letzte Änderung am 30.09.2019, Geographie Infothek, Klett-Verlag, Leipzig, dem Internet entnommen am 26.09.2024, https://static.klett.de/assets/terrasse/Infoblatt_Nomadismus.pdf